Homeoffice im Praxistest: Wo stehen wir?
Keine Frage, mobiles Arbeiten – also Homeoffice und Arbeiten von unterwegs – werden mehr denn je unsere Arbeitswelt prägen. Als mit der Corona-Krise das Thema Homeoffice für Unternehmen in Deutschland immer dringender wurde, wollten wir die Gelegenheit nutzen, unsere Mitglieder im Marketing Club München e.V. sowie Führungskräfte und Marketingexperten zum Thema Homeoffice, Leadership und Digitalisierung in Unternehmen zu befragen. Interessant ist dabei die Tatsache, dass vor Corona Homeoffice-Tage bei Mitarbeitern im Vergleich zu Führungskräften vergleichsweise selten waren. Und wenn Mitarbeiter „damals“ im Homeoffice arbeiteten, spielte der Vorgesetzte eine wichtige Rolle. Dies belegt u.a. eine Studie des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim in Zusammenarbeit mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg von 2018.
Im Folgenden werden wir werden Ihnen ausgewählte Ergebnisse der Studie „Homeoffice im Praxistest für Führungskräfte und Mitarbeiter“, die wir in Zusammenarbeit mit dem Institut für Marketing an der LMU München und dem Lehrstuhl für Unternehmensführung der Universität Hohenheim durchgeführt haben, vorstellen.
Außerdem haben wir einige Experten zu ihrer Meinung in punkto Homeoffice und Führungskultur befragt und Interviews mit Oliver Blüher (Country-Manager Slack DACH) und Anne-Katrin Heger (Senior Client Partner HR-Advisory bei Korn Ferry) zum Thema geführt.
In diesem Zusammenhang freuen wir uns ganz besonders, dass der Münchner Merkur uns als Medienpartner hierbei unterstützt!
1. Frauenpower, Homeoffice, Führungsverantwortung und digitale Tools – Ergebnisse der Online-Studie „Homeoffice im Praxistest für Führungskräfte und Mitarbeiter“
An unserer Online-Studie nahmen im Zeitraum von 8. April bis 31. Mai 2020 insgesamt 451 Personen teil. Das Durchschnittsalter der TeilnehmerInnen liegt bei 42 Jahren, wobei die Altersspanne von 19 bis 66 Jahren reicht. Überraschend ist der hohe Anteil der weiblichen Teilnehmer mit 72,5 Prozent, wohingegen wir nur 27,5 Prozent männliche Teilnehmer verzeichnen konnten. Diese schiefe Verteilung kann ein Indikator dafür sein, dass das Thema Homeoffice gerade in Krisenzeiten für Frauen eine höhere Relevanz besitzt als für Männer. Hinsichtlich der Position im Unternehmen ist unsere Stichprobe recht ausgeglichen. Hierbei arbeiten rund 45 Prozent der Teilnehmer in einer Führungsposition, 55 Prozent haben keine Führungsverantwortung. Wie zu erwarten arbeiten mehr als 85 Prozent der Teilnehmer im Befragungszeitraum ausschließlich oder überwiegend im Homeoffice, nur knapp 2 Prozent hingegen sind für ihren Job auch zu Corona-Zeiten ausschließlich im Büro bzw. an ihrem regulären Arbeitsplatz im Unternehmen. Vergleicht man diese Zahlen mit Daten vor der Krise wird deutlich, dass viele Unternehmen kurzfristig Strukturen und technologische Weichenstellungen schaffen mussten, um ihren Mitarbeitern Homeoffice zu ermöglichen. Dass für eine erfolgreiche Umstellung auf mobiles Arbeiten von zu Hause aber die Führungskräfte wie auch die Mitarbeiter gefragt sind, zeigen die Ergebnisse unserer Studie.
Während sich die Change Management Literatur bisher primär auf geplante organisationale Veränderungsprozesse fokussiert, erforderte die rasante Ausbreitung von COVID-19 schnelle Veränderungen, die ohne lange vorherige Planungsphasen realisiert werden mussten. Demzufolge wurde von vielen COVID-19 häufig als wichtigster Treiber der Digitalisierung bezeichnet.
Zum Themenschwerpunkt Digitalisierung gibt es drei wesentliche Erkenntnisse aus unserer Studie: Bei den Unternehmen gibt es erstens immerhin knapp 48 Prozent, die durch die teilnehmenden Personen eine positive Bewertung erhielten.
In diesen Unternehmen trägt der Einsatz von digitalen Technologien dazu bei, wertschöpfende Geschäftsmodelle umzusetzen, Prozesse zu optimieren und die digitalen Kompetenzen der Mitarbeiter zu fördern. Allerdings zeigt unsere Studie auch, dass etwa 33 Prozent noch einen weiteren Weg bis hin zur idealen digitalen Reife haben. Die zweite Erkenntnis zielt auf Expertise der Mitarbeiter in Bezug auf digitale Tools wie z.B. Microsoft Teams, zoom oder Slack. Hierbei zeigt unsere Studie, dass sich rund 77 Prozent der Teilnehmer als eher erfahren bis hin zu sehr erfahren im Umgang mit digitalen Tools (wie z.B. Microsoft-Teams, Zoom oder Slack) einstufen, was für das digitale Arbeiten aus dem Homeoffice eine wichtige Voraussetzung darstellt. Allerdings besteht durchaus noch Verbesserungspotential, wenn es um agile Arbeitsmethoden (wie z.B. Design Thinking oder Scrum) geht, da sich hier nur rund 50 Prozent als eher erfahren bis hin zu sehr erfahren bezeichnen würden.
Nachdem die COVID-19 Pandemie nicht nur Mitarbeiter, sondern auch deren Führungskräfte vor neue Herausforderungen stellte, zeigt sich dies auch in den Ergebnissen. So bewerteten die Mitarbeiter die Change-Leadership-Qualitäten der Führungskräfte eher durchschnittlich. Am positivsten wurden die unmittelbaren Führungskräfte bewertet, wenn es um die Kommunikation der krisenbedingten Veränderungen geht (Mittelwert= 4,98). Dass es jedoch wichtig ist z.B. in der digitalen Transformation die Mitarbeiter auf die Digitalisierungsreise mitzunehmen und eine digitale Unternehmenskultur zu schaffen ist aus anderen Studien bekannt. Allerdings schneiden die Führungskräfte in dieser Dimension am schlechtesten ab (Mittelwert=3,94), da sie bedingt durch die plötzlichen und unerwarteten Veränderungen es vorab nicht immer geschafft haben, eine breite Basis für die gemeinsame Bewältigung von krisenbedingten Veränderungen zu bilden.
Resümee der Onlinestudie „Homeoffice im Praxistest für Führungskräfte und Mitarbeiter“
Erstens: Das Thema Homeoffice ist für Frauen aktuell relevanter als für Männer. Julia Jäkel (CEO Gruner + Jahr und Vorsitzende der Bertelsmann Content Alliance Deutschland) hat sich hierzu im April in einem Gastbeitrag der ZEIT geäußert: „Homeoffice bedeutet für Tausende Frauen gerade vor allem home und wenig office. Das ist auch deshalb bitter, weil jetzt Karrieren gemacht werden.“
Zweitens: Führungskräfte müssen ihre Mitarbeiter noch früher in Veränderungsprozesse einbeziehen, um eine breite Basis für anstehende Veränderungen zu schaffen. Die Bedeutung von Kommunikation ist in Krisenzeiten noch wichtiger als im normalen Alltagsgeschäft. Mitarbeiter wünschen sich hier eine frühere und deutlich bessere Einbindung in Veränderungsprozesse.
Drittens: Unternehmen, die über einen „digitalen Reifegrad“ verfügen und bereits in Digitalisierung und die Entwicklung digitaler Kompetenzen investiert haben, können diesen Mehrwert auch und gerade in Krisenzeiten nutzen. Zum einen unterstützt die digitale Expertise das autonome arbeiten aus dem Homeoffice, zum anderen trägt es zur besseren Teamarbeit bei.
Ansprechpartnerinnen:
- Dr. Silke Bartsch: Vizepräsidentin Marketing Club München e.V. und Assistant Professor sowie stellvertretende Institutsleiterin des Instituts für Marketing an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München
- Beate Zarges: Beiratsmitglied im Marketing Club München e.V. und verantwortlich für die Bereiche Unternehmenskommunikation und Marketing von Energie Südbayern
2. Change als Chance!
Interview mit Anne-Katrin Heger (Senior Client Partner HR-Advisory bei Korn Ferry)
Was hat Corona bei uns verändert?
Alle Unternehmen quer durch alle Bereiche berichten seit Corona von fundamentalen Veränderungen. Unternehmen, die jedoch „Change-Management“ bereits vor Corona nicht nur als ein Projekt, sondern als Teil ihrer Unternehmenskultur gelebt haben, tun sich heute leichter. Was jedoch alle Unternehmen gleichermaßen vereint ist, dass Entscheidungen grundsätzlich schneller getroffen werden und auf Abstimmungsschleifen verzichtet wird, die sich technisch nicht abbilden lassen. Change-Management-Prozesse werden heute als Chance erkannt, von allen Unternehmen.
Digitale Leadership: was bedeutet dies für Sie konkret?
Eine Führungskraft zeichnet sich für mich durch Empathie, Mitarbeitermotivation und ganz grundsätzlich durch das Interesse am Mitarbeiter aus. Dies gilt im persönlichen Kontakt, aber noch mehr wenn es eine räumliche Distanz gibt: es geht um emotionale Nähe. Führung heißt also nicht, dass man einmal im Jahr ein Mitarbeitergespräch führt. Führung ist ein Thema für jeden Tag, jeden Moment im Zusammenspiel zwischen Mitarbeiter und Führungskraft. In der Beurteilung von Führungskräften sollte es nicht nur um Daten, Zahlen, Fakten, sondern auch um die emotionale Nähe gehen, die im Alltagsgeschäft gelebt wird.
Und welche Auswirkungen hat dies auf die Unternehmenskultur?
Unternehmenskultur lebt ausschließlich von ihren Mitarbeitern. Eine intakte Unternehmenskultur setzt voraus, dass es um die Mitarbeiter geht: wie geht es ihnen, welche Botschaften adressiere ich an sie und wie wichtig sind mir meine Mitarbeiter? Mitarbeiter, die im täglichen Umgang erleben, dass ihre Führungskräfte ein authentisches Interesse an ihrem Wohlbefinden haben, tun sich in Veränderungsprozessen deutlich leichter, als Mitarbeiter in Unternehmen, die diese Wertschätzung nicht erfahren. Wir bei Korn Ferry nutzen Mitarbeiterumfragen, um zu erfahren, wie die Situation in einem Unternehmen ist. Das beginnt dann schon damit, ob diese Umfragen als Chance oder als Kontrollinstrument wahrgenommen werden. Veränderungsprozesse sind Herausforderungen für alle. Die Unternehmenskultur ist hierfür ein wichtiger Garant, um diese erfolgreich umzusetzen.
Unser Interview mit Oliver Blüher (Country-Manager Slack DACH) finden Sie hier.
3. Homeoffice und Führungskultur: wo liegen die Herausforderungen für Sie?
Experten geben dem Münchner Marketing Club hierzu Auskunft! Die Ergebnisse finden Sie hier.